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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 3 ObOWi 13/01
Rechtsgebiete: VO (EWG), FPersG, FPersV
Vorschriften:
VO (EWG) Nr. 3820/85 Art. 4 Nr. 1 | |
VO (EWG) Nr. 3820/85 Art. 6 Abs. 1 | |
FPersG a.F. § 7 Abs. 1 Nr. 1 | |
FPersG a.F. § 7 a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b | |
FPersG § 8 Abs. 1 Nr. 1 | |
FPersG § 8 Abs. 1 Nr. 2 | |
FPersV a.F. § 6 Abs. 1 Nr. 1 | |
FPersV a.F. § 6 Abs. 5 | |
FPersV a.F. § 8 Nr. 2 Buchst. b | |
FPersV § 6 Abs. 1 Nr. 1 | |
FPersV § 6 Abs. 5 | |
FPersV § 8 Nr. 2 Buchst. c | |
FPersV § 9 Nr. 3 Buchst. b |
BayObLG Beschluss
28.02.01
Tatbestand
Der Betroffene ist Mitgeschäftsführer der Firma W. mit Sitz in P. Seine Aufgaben bestehen in der Aquisition und der Einstellung des Fahrpersonals. Darüber hinaus vertritt er die Disponentin während ihres Urlaubs. Obwohl er Bußgeldbescheide, die wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Lenk- oder Ruhezeiten gegen seine Fahrer erlassen wurden, kannte, unterließ es der Betroffene in der Zeit vom 20.4. bis 29.7.1997, die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen zu treffen, die geeignet gewesen wären, die Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu gewährleisten, und nahm es billigend in Kauf, dass die bei ihm in dieser Zeit angestellten Fahrer F., Hi., Ho. und P. mehrfach die tägliche Lenkzeit überschritten.
Die von den genannten Fahrern geführten Lkw hatten alle ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t und nicht mehr als 3,5 t; die Fahrten fanden, soweit sie grenzüberschreitend waren, innerhalb der EU statt.
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 11.4.2000 wegen vorsätzlichen Zulassens der Überschreitung der zulässigen täglichen Lenkzeit zu einer Geldbuße von 5000 DM.
Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechte beanstandete.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) und hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass auf die Verfahrensrüge nicht eingegangen zu werden braucht.
1. Allerdings ergibt die bei zulässiger Rechtsbeschwerde vom Senat von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen bzw. -hindernisse, dass Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG) nicht eingetreten ist. Dabei kann insoweit dahinstehen, ob die zur Tatzeit (20.4. bis 29.7.1997) geltende Bestimmung des § 7 a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Abs. 2 FPersG i.V.m. Art. 6, 15 VO (EWG) Nr. 3820/85 oder die des § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FPersG i.V.m. § 8 Nr. 2 Buchst. b, § 6 Abs. 5 FPersV (i.d.F. der Verordnung zur Änderung fahrpersonal- und straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23.7.1990, BGBl I S. 1484) anzuwenden ist, da der jeweilige Abs. 2 des § 7 bzw. § 7 a FPersG einen Bußgeldrahmen bis zu 10000 DM eröffnet. Zutreffend hat das Amtsgericht die zur Tatzeit geltenden Bestimmungen angewendet (§ 4 Abs. 1 OWiG), da die gemäß Art. 7 des Gesetzes zur Änderung fahrpersonalrechtlicher Vorschriften vom 18.8.1997 (BGBl I S. 2075/2080) am 19.8.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des § 8 (Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2) FPersG und § 8 Nr. 2 Buchst. c bzw. § 9 Nr. 3 Buchst. b FPersV (vgl. Art. 2 Nr. 5 c, bb, Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung fahrpersonalrechtlicher Vorschriften vom 18.8.1997) denselben Bußgeldrahmen androhen und damit nicht milder als die zur Tatzeit geltenden Bestimmungen sind (vgl. § 4 Abs. 3 OWiG).
Da der Betroffene nach den Feststellungen des Amtsgerichts vorsätzlich gehandelt hat, ergibt sich hieraus eine Verjährungfrist von zwei Jahren (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Geht man zugunsten des Betroffenen davon aus, dass seine Zuwiderhandlung durch ungenügende Überwachung mit dem letzten Verstoß der Fahrer (29.7.1997) beendet war (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG), so wird die Verjährung bis zum Erlass des amtsgerichtlichen Urteils durch den Bußgeldbescheid vom 8.6.1998 oder aber durch die Zustellung des vollständigen Bußgeldbescheids am 31.3.1999 unterbrochen (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG).
2. Die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts tragen aber eine Verurteilung des Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 7 a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b FPersG nicht. Die Nichteinhaltung der höchstzulässigen Tageslenkzeit ist nämlich nur in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfbaren Weise mit Tatsachen belegt. Das Amtsgericht hat nur bestimmte Zeiträume mit der Feststellung verbunden, dass die Tageslenkzeit um eine bestimmte Stundenzahl überschritten worden sei. Bei Verstößen gegen die Tageslenkzeit gemäß Art. 6 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3820/85 zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit ist aber, wie der Senat mehrfach betont hat, in der Regel anzugeben, wie lange der Fahrer an den einzelnen Tagen das Fahrzeug gesteuert hat, dass in diesen Zeitabschnitten jedenfalls keine mehr als etwa drei Minuten dauernden Pausen enthalten sind, und von wann bis wann er jeweils geruht hat. Nur bei geständigen Betroffenen kann die summarische Feststellung der Lenkzeitüberschreitung genügen (BayObLG NZV 1996, 505/506 unter Bezugnahme auf BayObLG vom 29.5.1989 - 3 ObOWi 42/89). Das angefochtene Urteil enthält aber keinerlei Angaben über die tatsächlichen Fahrzeiten oder die eingelegten Ruhepausen. Es handelt sich bei dem Betroffenen auch nicht um einen geständigen Fahrer, der in der Lage ist, die vorgehaltenen Diagrammscheiben mit seinen eigenen Beobachtungen zu vergleichen, sondern um einen Unternehmer, der die Verstöße seiner Fahrer in Frage gestellt hat.
Dass bei der vom Amtsgericht gefertigten Aufstellung einzelne Tageslenkzeitüberschreitungen aufgeführt sind, die nicht durch eine ausreichende Ruhezeit von einander getrennt sind (vgl. z. B. Fahrer F. 28.4.1997, 23.30 Uhr/29.4.1997, 6 Uhr) ist hingegen für die Beurteilung der Verfehlung des Unternehmers ohne Bedeutung.
Das Amtsgericht hat darüber hinaus nicht dargelegt, von welcher höchstzulässigen Tageslenkzeit es jeweils ausgegangen ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Sätze 1 und 2 VO (EWG) Nr. 3820/85).
Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
1. Die Angabe der Fahrtrouten ist im vorliegenden Fall zwar zweckmäßig, aber nicht zwingend erforderlich, wenn neuerdings festgestellt wird, dass die Fahrten, soweit sie grenzüberschreitend waren, innerhalb der EU stattfanden, wie bisher im angefochtenen Urteil festgehalten wurde. Eine Abgrenzung zu Fahrten, die dem AETR unterliegen, ist daher nicht notwendig.
2. Gleiches gilt für die Frage, ob und welche Fahrten jeweils im EU-Ausland durchgeführt worden sind. Handelte es sich bei den benutzten Fahrzeugen um solche mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t, so gilt die VO (EWG) Nr. 3820/85 unmittelbar als Gemeinschaftsrecht nicht nur in Deutschland, sondern auch im EU-Ausland. Aber auch, wenn jeweils Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t, aber nicht mehr als 3,5 t Verwendung fanden, wie das Amtsgericht auf S. 7 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, waren die Vorschriften des Art. 6 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3820/85 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 FPersV für den Fahrer und in Verbindung damit des § 6 Abs. 5 FPersV für den Unternehmer anzuwenden.
In den Bereichen, die nicht der VO (EWG) Nr. 3820/85 unterliegen (hier Art. 4 Nr. 1), blieb die Bundesrepublik Deutschland für den Erlass von Regelungen über die Lenkzeiten zuständig (vgl. EuGH NStZ-RR 1996, 281; vgl. auch BayObLG VRS 75, 372/374). Nach Auffassung des Senats ist durch die Bezugnahme in § 6 Abs. 1 FPersV auf Art. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85 zum Ausdruck gekommen, dass diese Verpflichtung nicht nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, sondern im gesamten Geltungsbereich der EWG-Verordnung einzuhalten ist. Dahinstehen kann insoweit, ob diese Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs bereits für die dem § 6 FPersV vorausgehende Vorschrift des § 15 a StVZO gegolten hat, die sich noch für den Bereich der Fahrzeuge zwischen 2,8 und 3,5 t mit der VO (EWG) Nr. 3820/85 überschnitten hat und daher insoweit nur subsidiär anzuwenden war und die eine Bezugnahme auf die EWG-Verordnung (vgl. Art. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Änderung fahrpersonalrechtlicher Vorschriften vom 9.12.1986, BGBl I S. 2344) nur im Zusammenhang mit der Anrechnung von Lenkzeiten beinhaltete.
Mit der Aufhebung des § 15 a StVZO durch Art. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Änderung fahrpersonal- und straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23.7.1990 (BGBl I S. 1484) und der Neufassung des § 6 FPersV durch Art. 2 Nr. 3 der Verordnung vom 23.7.1990 aufgrund der Ermächtigung des § 2 Nr. 3 Buchst. a FPersG kam jedenfalls zum Ausdruck, dass es sich nicht mehr um eine ausschließlich straßenverkehrsrechtliche Bestimmung handelt, sondern dass auch der Schutz von Leben und Gesundheit der Mitglieder des Fahrpersonals das gesetzgeberische Ziel der Vorschrift darstellt. Dieses Ziel kann aber nur verwirklicht werden, wenn die Verpflichtung zur Einhaltung der vorgeschriebenen Lenkzeiten nicht an der Grenze Deutschlands zu anderen EU-Mitgliedsstaaten endet. Die Einhaltung der höchstzulässigen Tageslenkzeit beschränkt sich daher nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob ein Verstoß gegen diese Verpflichtung in der Bundesrepublik Deutschland als Ordnungswidrigkeit verfolgbar ist. Einigkeit besteht darüber, dass Fahrer, welche die Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 3820/85 ausschließlich im EU-Ausland nicht einhalten, wegen der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereiches des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten auf die Bundesrepublik Deutschland (§ 5 OwiG) in Deutschland nicht verfolgt werden können (vgl. BayObLGSt 1980, 21 = VRS 58, 465 ff., soweit der Fahrer angesprochen ist; OLG Hamm VRS 60, 234). Dies gilt in gleicher Weise auch für diejenigen Fahrer, die nur über § 6 Abs. 1 FPersV die EWG-Bestimmungen einzuhalten haben. Hingegen ist die Anordnung der Lenkzeitüberschreitung durch den inländischen Unternehmer bzw. die eine solche Überschreitung voraussetzende Disposition oder aber auch die Unterlassung, für die Einhaltung der Lenkzeitvorschriften zu sorgen, wenn sich Unregelmäßigkeiten der Fahrer feststellen lassen, auch dann als Ordnungswidrigkeit des Unternehmers verfolgbar, wenn die Fahrzeuge allein im EU-Ausland vorschriftswidrig geführt worden sind, da der Tatort für den Verstoß des Unternehmers gemäß § 7 OWiG im Inland liegt (vgl. BGHSt 34, 101/105 f.). Die Verfolgbarkeit des Verstoßes des Fahrers in der Bundesrepublik Deutschland ist dabei weder bei der unmittelbaren Anwendung der VO (EWG) Nr. 3820/85 Voraussetzung noch bei deren über § 6 Abs. 1 FPersV vorgeschriebenen Anwendung.
3. Schließlich wird das Amtsgericht bei einer Bußgeldbemessung im Bereich von 5000 DM auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 OWiG zu erwägen haben. Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, ob der Betroffene außer seiner Geschäftsführertätigkeit auch an der GmbH als Gesellschafter beteiligt ist. In diesem Fall kann deren wirtschaftliche Situation von Bedeutung sein, die zum einen von einem Wagenpark von 22 Fahrzeugen und einem Personalbestand von 30 Fahrern gekennzeichnet ist, zum anderen vom Betroffenen wegen des Konkurrenzdruckes als schlecht bezeichnet wird. Andererseits sind die familiären Verhältnisse des Betroffenen (Frau und vier Kinder) zu berücksichtigen.
Ende der Entscheidung
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